concrete poetry [serie 08-09|2021]

DAS PHANTOM EINER OPER

In der Schanze steht ein Skelett. Wie bei allen Skeletten spricht auch dieses von vergangenem Leben, als es noch das Gerüst eines vollständigen Körpers voller Leben war. Sein Lebensinhalt war für lange Zeit die Bespaßung der Massen, auch wenn dieser Spaß, nach der Machtergreifung der braunen Horden, nur noch von extrem zweifelhafter Natur war. Von diesem tiefen Fall hat es sich nie wieder erholt.

In der Gründerzeit ursprünglich als festes Zirkusdomizil errichtet und später, bis zum Beginn des zweiten Weltkriegs, als Theater genutzt, fand sich danach nie wieder eine dauerhafte Nutzung, die dem Charakter des Gebäudes entsprochen hätte. In den letzten 20 Jahren ließ man die historische Stahlskelettrotunde zunehmend verfallen. Das Gelände wurde zum Spekulationsobjekt und ein historischer Bau konnte da nur stören. Auf behördlichen Druck hin wurde im Sommer 2021 mit der Sicherung des historischen Kerns begonnen und alle An- und Umbauten dafür entfernt. Dadurch wurde das ursprüngliche Stahlskelett zum ersten Mal wieder sichtbar, wenn auch der Geschichte sein vielfältigen Nutzung beraubt, und gab Einblicke in sein früheres Leben frei.

Copyright R-M Diedrich