
was vom tage übrig blieb oder ... [Triptychon 2023]
Unser Alltag wird von Bilderwelten geflutet die uns suggerieren wie wir Beziehungen denken sollen. Menschliche Interaktion wird in diesen visuellen Konstrukten zu einem Accessoire von Chipstüten, Bierflaschen oder Mobiltelefonen. Unsere Lebenswelt erscheint vermittelt durch konsumierbare Produkte. Aber nicht nur die direkte Visualisierung wird zu einem Filter für unsere Sichtweisen, Wünsche und unser Begehren. In ihrem unstillbaren Hunger den öffentlichen Raum mit Projektionsflächen zuzukleistern bescherte uns die Werbeindustrie einen weiteren, diesmal indirekten, Wahrnehmungsfilter: die Rasterfolie. Eine wahrhaft geniale bzw., je nach Betrachtungsperspektive, perfide Idee. Hatten wir vor der Klebeoffensive noch die Wahl auf Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln ungefiltert die Außenwelt zu betrachten und unseren Gedanken nachzuhängen, macht es das fragmentierte Sichtfeld nun kaum noch möglich Bezug zur realen Welt herzustellen. Mangels klarer Perspektive fördert dies fast zwangsläufig die Umlenkung unserer Aufmerksamkeit auf den digitalen Dauerwerbeemittenten in unserer Hand. Aber nicht nur dort gleitet unsere Wahrnehmung anderer Menschen in den Bereich des Unscharfen und Anonymen. Sie wird eine manipulierbare Imagination deren Realitätsbezug schwindet. In diesem Sinne schwinden die realen Geschichten der zufällig durch die Rasterfolie des temporären Hauses der Photographie festgehaltenen Körper. Sowohl Körper als auch Kontext werden zu Projektionsflächen und zugeschriebene emotionale Zustände komplett imaginiert.
Copyright R-M Diedrich