Der wahre Fotoroman 3 [05|2024]

NUR DIE HARTEN KOMMEN IN DEN GARTEN

Jahre vergingen in denen wir nur durch die Flut kommerzieller Werbefläche gelangweilt wurden aber jetzt naht die Rettung! Endlich geht es wieder um Inhalte wenn im öffentlichen Raum um unsere Aufmerksamkeit gebuhlt wird. Begeben wir uns also mitten hinein in eine Schlacht, die an differenzierten Aussagen kaum zu überbieten ist und beginnen mit dem größten Egoshooter des aktuellen Wahlkampfes.

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Ach, liebes Bündnis Personenkult, alias Sahra Wagenknecht, wenn die Welt doch nur so einfach wäre, so schwarz oder weiß, wie eure große Vorsitzende es auf ihren Propagandatäfelchen suggerieren möchte. Stellte sich dem Prinzen aus Dänemark noch die fundamentale Frage nach dem Sein (oder eben auch nicht) reduziert sich das Ganze im Zeitalter der Populisten auf ein „Sahra oder Wagenknecht” – noch Fragen?! Schließlich greifen die Strategen des BSW ohne Rücksicht auf Verluste in die Kiste binärer Oppositionen als hätte es den Post-Strukturalismus nie gegeben. Da sehnt man sich doch in Zeiten zurück in denen Günter Grass in „Kopfgeburten oder die Deutschen sterben aus” das Lehrerpaar Dörte und Harm Peters aus Itzehoe die Frage nach „Kind oder kein Kind” ellenlang in allen Schattierungen ausdiskutieren ließ. Heutzutage füttert man mit Slogans wie „Maulkorb oder Meinung” lieber diejenigen, die zum Abbau ihrer Frustrationen einfache Feindbilder brauchen. Also ihr Querdenker, Coronaleugner und anderweitig Schwarzweißmalende kommt Heim zu Mama Wagenknecht.

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Wäre das nicht schon peinlich genug, begibt es sich mit „Ampel oder Überholspur” auch noch auf das Niveau der „Gib Gas, ich will Spaß”-Fraktion. Egal, daß mit dem Spaß mag man eh nicht so recht glauben, kommt die FDP doch schon wieder so lebensbejahend daher wie Hannibal Lecter auf dem Schlager Move.

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Ob eine Darstellung der, ohnehin nicht durch eine positive Ausstrahlung auffallenden Spitzenkandidatin, im inzwischen schon als klassisch zu bezeichnenden Stil des „Liberal Noir” wirklich eine intelligente Idee ist? Man fühlt sich unweigerlich an F. W. Murnaus Vampirstummfilmklassiker „Nosferatu” erinnert, dessen Untertitel so treffend „eine Symphonie des Grauens” lautete. Wer weiß wie viele unschuldige Autofahrende beim Anblick der stechenden Augen auf dem Grünstreifen zum Verkehrsrisiko geworden sind weil sie fürchten mußten, daß Graf Strack (-Zimmermann) ihnen gleich auf die Motorhaube springen würde. Und die Moral von der Geschicht’: Bring dich in Sicherheit Wahlvolk, sonst saugen wir dir auf dem Altar des Neoliberalismus auch noch den letzten Tropfen Blut aus.

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Seien wir doch mal ehrlich, die kleinformatige Variante macht es eigentlich noch schlimmer. Auf Augenhöhe von Kleinkindern angebracht, sollte sie den Kinderschutz auf den Plan rufen. Im Fernsehen würden besorgte Eltern wenigstens vorgewarnt: „Dieses Bildnis ist für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren nicht geeignet.” Auf offener Straße aber, ist man ihm schutzlos ausgeliefert. Man stelle sich nur einmal vor, unschuldig auf dem Gehweg tollende Kleinkinder kommen unvermittelt vor diesem überlebensgroßen Düsterportrait zu stehen: „Mama, Mama, ich will nicht in die Schule gehen, da wird man gefressen.” Also, was möchten sie uns mit ihrer martialischen Ansage zum Thema Bildung sagen, gestrenge Frau Strack-Zimmermann? Nur die Harten kommen in den Garten? Plastikpanzer für jede Kita? Schützengräben ausheben in der Sandkiste? Frau Mahlzahn hätte es auch nicht besser rüberbringen können: „ … und wenn du nicht arrrtig bist, kommst du in den Karrrzerrr!”

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Das man mit dem „Liberal Noir” wohl doch keinen Publikumspreis gewinnen würde und man es doch lieber mal mit Kodak Color versuchen sollte, scheint dann auch der PR-Abteilung der FDP aufgefallen zu sein. Aber auch den Ansatz es mit bunten, fröhlichen Farben mal etwas sympathischer zu gestalten und sich als Partei von Machenden darzustellen, kann man nur als einen ziemlich gewagten PR-Gag werten, fällt die FDP doch eigentlich immer nur dadurch auf, daß sie sich in geradezu infantiler Impertinenz dem Machen verweigert. Interessanterweise hatte die FDP dann auch nichts Besseres zu tun, als zum Abschluß ihrer Kampagne dafür auch noch den Beweis anzutreten.

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Man stelle sich nur mal die Szenen vor, die sich im Plenarsaal des Europaparlaments abspielen werden, wenn die FDP ihren Willen nicht bekommt. Wird sich die Spitzenkandidatin dann auf den Boden werfen und diesen laut schreiend mit den Fäusten bearbeiten bis das Präsidium so genervt ist, daß es sich nicht anders zu helfen weiß als nach pädagogischem Beistand zu rufen?! Und dann noch der rosa Hintergrund: echt jetzt! Erwarten sie wirklich, daß wir politische Entscheidungen einer Partei anvertrauen, die soviel Bewußtsein für Geschlechterstereotypen an den Tag legt wie ein Junggesellenabschied?! Aber wenden wir uns, nach diesem Exkurs, nun wieder dem blumigen Aspekt des parlamentarischen Kindergartens zu. Auch wenn „Die Blume macht das” erstmal nach einer wunderschönen Geschichte klingt, in der Biene Maya und Willy die heile Wiesenwelt aus den Klauen gefräßiger Heuschrecken retten, sollte sich „die Blume” wohl fragen, ob sie nicht für die falsche Seite machen will. Wenn wir mal realistisch sind, wird für „die Blume” ohnehin nichts mehr zu machen sein wenn der Pestizid sprühende Treckermob erstmal über sie hinweggezogen ist oder ihr Parteifreund der Verkehrsminister endlich den letzten Quadratmeter des Landes mit pflegeleichtem Asphalt versiegelt hat. Als wäre das traurige Schicksal „der Blume” nicht schon dramatisch genug, gelang der Konkurrenz sogar noch die floristische Eskalation.

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Liebe CDU Rastede, was möchtet ihr uns mit dieser Handreichung welken Grüns eigentlich sagen? Klimakrise zum Selbermachen für den heimischen Balkon oder ist es einfach ein ungewohnt ehrliches Eingeständnis wie der Muttertag im Jahr 2035 aussehen wird, wenn Friedrich Merz erstmal mit dem ganzen grünen Unfug aufgeräumt hat.

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Die traurige Realität der Naturverbundenheit des christlichen (wie war das noch: machet euch die Erde Untertan) Wahlvereins zeigt sich dann auch am nächsten Parkplatz. Ein einfaches „Wir lieben Parkplätze” wäre wohl zu ehrlich gewesen. Man ahnt schon welche Höllenqualen beim Brainstorming durchlitten wurden, um dem Ganzen eine etwas weniger rückwärtsgewandte Wendung zu geben.

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Ähnlich erfolgreich ist offenbar der Findungsprozeß zum visuellen Erscheinungsbild verlaufen. Mehr als hippe Kontrastbalken, wie bei fast allen anderen, kam dabei aber auch nicht heraus. Diese allerdings auf hellblauem Grund, bei dem man auch auf die Idee kommen könnte, sie würden ganz einfach das Blaue vom Himmel herunterlügen – oder wie soll man, vor dem Hintergrund von soviel Blau, den Slogan „weniger Papierkram, mehr Wohnraum” interpretieren? Schluß mit dem grünen Unsinn vom nachhaltigen, recycelbaren Bauen, laßt uns doch mehr praktische Wohncontainer mit integrierter Naßzelle für die ganzen Sozialschmarotzer aufstellen, die unseren Luxuswohnraum ohnehin nicht zu würdigen wüßten?! Bedenket aber ob sich die verkehrsgünstige Platzierung mit eurer erklärten Parkplatzliebe verträgt. Das solltet ihr besser noch mal ausdiskutieren.

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Diskussionsbedarf hatte offenbar auch die andere der ehemaligen Volksparteien. Versuchte es die SPD im ersten Anlauf noch mit einem „dynamischen” Duo kontrastierender Haarpracht, schien die PR-Abteilung später zu der Erkenntnis gelangt zu sein, daß es eine Korrelation zwischen der Anzahl der Haare und der Wählendengunst geben könnte. Zwischen PR- und Grafikabteilung hängt der Haussegen seitdem allerdings extrem schief, mußte die/der Bildbearbeitende doch auf die Büroparty verzichten weil die PR die Ansage „wir brauchen mehr Haar” zu dauerwellig interpretiert hatte.

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Auch der wackere Genossen Friseur dürfte darüber nicht glücklich gewesen sein, hat er doch trotz allen Gegenwinds nie aufgegeben den Haarschnitt des Kanzlers als letzten Schrei anzupreisen. 

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Ähnlich „stilsicher” trat die, zumindest nördlich der krachledernen Jodelzone, eher exotische Vereinigung namens Freie Wähler auf. Deren Versuch das Image des rustikal-bäuerlichen mit einem Hang zur Amnesie abzulegen mündete in einer Bildsprache, die in ernste Konkurrenz zum Sex-Appeal des Bundeskongresses der Versicherungsvertreter (Neudeutsch inzwischen vermutlich: Versicherungsvertretenden) tritt. Bei all dem biederen Saubermensch-Image stellt sich doch die Frage, ob sie denn ihre Dachböden gründlich durchkämmt haben? Sie sollten besser mal ihren Kollegen Hubert fragen, was in alten Schulsachen so an kompromittierendem Material zu Tage treten kann – da würde sich selbst Herr Kaiser (für alle Post-Boomer: die TV-Werbeikone des rechtschaffenen Versicherungsvertreters) im Grabe umdrehen.

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Manchmal hat aber auch das Wahlvolk den Schuß einfach nicht gehört und die hehren Botschaften verrauchen im Nirwana. Was mag dem Bastler im Angesicht des Abrüstungsplakats der Linken durch den Kopf gegangen sein? Vermutlich ein testosterongeschwängertes „geile Knarre” – und schwups war sie feinsäuberlich rausgetrennt (natürlich unter Zurücklassen des kontraproduktiven Knotens im Lauf) und in der „man cave” neben den Bruce Willis Postern aufgehängt. 

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Ach ja, liebe Grüne, ihr wollt dieses Mal nicht wirklich vorkommen. Auch wenn ich nicht dem neuen Volkssport „Hau die Grünen” frönen möchte, so waren eure Wahlvolkmotivationstäfelchen diesmal optisch so langweilig, daß es sogar mir die Sprache verschlagen hat. Dann doch lieber die DKP, die ja hinlänglich für ihre subtile Propaganda bekannt ist, mit ihrem „Sozialismus oder Barbarei”. Man könnte viele Worte dazu verlieren aber eines hat es zweifellos: mehr Wumms als Olafs Haarpracht! Dies ließe sich womöglich noch zu einem wahrhaftigen Doppelwumms steigern, wenn ihr euch mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht zusammentun würdet: „Sahra oder Barbarei” wäre doch der ultimative Killer. 

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Zu guter Letzt gilt es noch die Partei des elektrifizierten rhetorischen Feinschliffs mit dem obskuren Namen Volt zu würdigen, die uns in überdimensionalen Versalien diverse Lebensweisheiten entgegenschleudert. Wem aber galt die gepflegte Aufforderung an der Bushaltestelle? Dem Busfahrer, der den atemlosen Pendlern bei erreichen des Ziels gnadenlos die Tür vor der Nase zugeschlagen hat? Oder sollte es, im Angesicht der leichtbekleidet sich räkelnden von Nebenan ein verspäteter Beitrag zur #MeToo-Debatte sein?

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Noch differenzierter kriegen es da höchstens die anonym, analog Kommentierenden eines ähnlich aussagekräftigen CDU Plakats hin: „sexistische kackscheisse du wähl*innen”. Bei all diesen rhetorischen Meisterleistungen stellt sich abschließend nur noch die Frage, ob die Menschheit den Trend zur „leichten Sprache” nicht irgendwie falsch interpretiert hat.

Copyright R-M Diedrich