Der wahre Fotoroman 4 [02|2025]
Eigentlich ging es viel zu schnell aber manchmal überholt einen die Realität. So überschlugen sich im November die Ereignisse. Während Gotham City endgültig von kriminellen Psychopathen übernommen wurde, endete auch in einer vermeintlichen noch zivilisierteren Ecke des Planeten eine Beziehung, die der Albtraum jedes Paartherapeuten gewesen sein muß. Statt sich Zeit für die Aufarbeitung der Probleme zu nehmen, drängten vor allem die, die beim letzten Mal zu kurz gekommen waren, darauf endlich wieder ihre Profile zum „speed dating” an den Straßenrand stellen zu dürfen. Sehr zur Verwirrung der omnipräsenten Navigationssysteme, die nicht mehr hinterherkamen bei all den neuen Schildern und jetzt „am 13. Scholz, bitte halb links abbiegen” oder „nach dem ersten Merz, rechts ausscheren” wollten. Einzig Tesla-Fahrer entgingen dieser Verwirrung, kannte ihr Navigationssystem nach Elons letztem Update doch nur noch eine Richtungsanweisung: „mit Vollgas im Rückwärtsgang scharf rechts einschlagen.”
Aber was muß das für ein Trauma gewesen sein, daß die „ménage à trois” – passenderweise mit der putzigen Metapher einer Lichtzeichenanlage zur Regelung des Straßenverkehrs bedacht – ein so schreckliches Ende gefunden hat, dabei hätten euch besagte Paartherapeuten sagen können, daß die Bromance von Olaf, Robert und Christian von vornherein zum Scheitern verurteilt war. Zu groß waren die Persönlichkeitsdifferenzen von Olaf dem Schweigsamen, der aber immer den Hut aufhaben wollte, Robert dem Aktionisten, der die Welt retten wollte und Christian dem Pubertierenden, der eigentlich immer nur alles scheiße fand, was die Erwachsenen vorhatten. Und dann war da ja noch Annalena, die den Jungs ständig den Flieger vor der Nase weggeschnappte, um dem Testosterontheater zu entfliehen. Den am Boden zurückgebliebenen Bros blieb nichts weiter übrig als den „chemtrails” nachzuhängen.
Es kam wie es kommen mußte. Christian sind die „chemtrails” dann wohl zu Kopf gestiegen und er gab sich hormongesteuerten, martialischen Phantasien davon hin, es Olaf und Robert in offener Feldschlacht einmal so richtig zu zeigen. Das Resultat kennen wir alle. Christian landete auf der Straße und Robert verzehrte sich in Trauer über das Ende der dysfunktionalen Beziehung. Nachdem er Annalena sein Leid geklagt hatte und diese ihm zum Trost auch mal den Flieger überließ – der dann natürlich prompt den Dienst versagte – faßte Robert sich ein Herz, ging in die Offensive und versuchte im Alleingang Dates an den Küchentischen der Republik zu bekommen. Da hätte er vielleicht doch mal einen Dating Coach konsultieren sollen. Der hätte ihm sicherlich klargemacht, daß es nicht sehr aussichtsreich ist, beim ersten Date gleich mit nach Hause genommen zu werden. Letztendlich mußte er sich dann eingestehen, daß er seinen Charm gnadenlos überschätzt hatte und die Küchentischstrategie ihn, als Post-Boomer, außerdem altbacken wirken ließ. In seiner Verzweiflung wandte er sich wieder seinen grünen Freunden und Freundinnen zu, die mit einer grandiosen Idee aufwarteten. Laßt uns doch eine eigene Partnerbörse aufmachen.
Aber mal ehrlich, direkt nach der Scheidung gleich eine Partnerbörse aufmachen? Ob das so klug ist?! So wurde die Profilerstellung zur fröhlichen Selbstanpreisung dann auch zum mittelschweren Desaster am Küchentisch. Zwar hatte Annalena in der Kiste mit den Erinnerungsstücken vom letzten Selbsterfahrungsworkshop noch ein grünes Batiklaken gefunden, auf dem man die Arme lasziv ruhen lassen konnte und damit der Debatte über die besten Profilbilder schnell ein Ende setzen können. Für den Textfindungsprozeß dann aber das alte Scrabble aus Adenauers Zeiten aus dem Keller zu holen, sollte sich als nicht wirklich zielführend herausstellen. Das sie damit voll in die Gender-Stereotypenfalle fallen würden, hätte unserer Dating Coach ihnen sicherlich klarmachen können. War es gerade so eben noch gelungen Roberts weinseliges „Ein Mann, ein Wort” zu entschärfen – „Mensch Robert, schummeln gilt nicht! Du sollst ‚EIN Wort‘ legen, von Mann war da nicht die Rede! Außerdem ist die Bromance sowas von durch, da müssen wir inklusiver werden!” – gelang es aber nicht mehr ihn davon abzuhalten diesmal endlich als der Macher rüberkommen zu wollen. „Zuversicht”, das bin ich!
Für Annalena blieb dann im Buchstabenhaufen nur noch „Zusammen” übrig. Schon peinlich, liebe Grüne! Frau macht auf Sozialkompetenz legt fürsorglich eine Hand auf die andere und hält mal wieder den Laden zusammen, während Mann mit Zuversicht offensiv vorangeht und die Faust auf den Tisch packt.
Die Küchentischdramen der grünen Partnerbörse schlugen schließlich solche Wellen, daß eine große Tageszeitung damit zu werben begann, Unterstützung bei der Partnerwahl bieten zu können.
Auch die Hamburger Verwandtschaft sah angesichts des antiquierten Mackergehabes ihre Verkupplungschancen sinken und ging daraufhin in die feministische Offensive.
Was blieb den Grünen Singles in Hamburg auch anderes übrig, sahen sie sich im Wettbewerb um die Sympathieklicks doch mit der optischen Durchschlagskraft des großen Bruders konfrontiert. Dieser strotzte vor Selbstbewußtsein. Statt bloßer Versprechen von „Zuversicht” und „Zusammen[sein]” machte er gleich Nägel mit Köpfen: „Vereint”, bis das der Tod euch scheidet – und die Verlockung vom Penthouse mit Aussicht wurde gleich geschickt mit integriert. Das es mit dieser Aussicht nur etwas wird, wenn er einen Dummen für seine größenwahnsinnige Hochhausruine findet, verschwieg er natürlich ganz dezent.
Auch kann die vermeintlich verlockende Aussicht nicht darüber hinwegtäuschen, daß man sich mit dem großen Bruder auch nur eine klassische Geschlechterrollenverteilung einhandelt – zu entlarvend kommen seine anderen Profilbilder daher, in denen er das Versprechen von „Familie” in dezentem Lachsrosa und das von „Wohlstand” in royalem Lila präsentiert
Nur die Fraktion der U30 Singles von Volt traute sich der Glatze des Vertrauens etwas entgegenzusetzen – obwohl sie sich auch diesmal wieder als Favoriten für den Oskar des rhetorischen Feinschliffs, mit der Inhaltsschwere einer stummgeschalteten Folge des siebten Sinns, profilierten. Was möchte uns Britta, mit ihrer, den haarfreien Kopf demonstrativ entblößenden, Geste und der nicht zu übersehenden Starkstromwarnung, sagen? Seht her, gebt mir eure Sympathieklicks denn ich bin der hippere Tschentscher und mein Optiker ist auch nicht so altbacken oder hatte sie einfach aus Versehen den Instagram-Beitrag zum Bad Hair Day (Vorsicht vor antiken Elektrogeräten oder ich, nach dem Kurzschluß von Omas Trockenhaube) auf ihr Dating-Profil hochgeladen?
Aber nicht nur die Starkstromexperimentalisten waren deutlich gezeichnet vom Wettbewerb mit dem großen Bruder. Ramponiert blieb auch die babyblaue Konkurrenz zurück, blieb ihr doch bei soviel staatstragender Größe, nichts anderes übrig, als sich im Staube vor ihm niederzulegen.
Womit wir beim Chef des babyblauen Altherrenclubs angelangt sind, der den Versuch unternahm die Gunst möglichst vieler Singles zu erlangen. Tja, liebe Helferlein der CDU, da habt ihr eurem Chef aber einen Bärendienst erwiesen als ihr seine Präsenz beim „speed dating” am Straßenrand erhöhen wolltet. Konnten wir es vorher nur ahnen, wurde es jetzt offensichtlich. Während Dr. Merz (links unten) uns noch versicherte nie um Sympathieklicks der fragwürdigen Alice zu buhlen – deren Dating-Profil wiederholt wegen Anfeindungen Andersdenkender gesperrt werden mußte – machte uns Mr. Friedrich (rechts oben) mit verschmitztem Grinsen klar, daß ihn sein Gewäsch von gestern heute nicht mehr interessieren würde (R. L. Stevenson möge mir die Anleihe bei seiner Romanfigur verzeihen). Schließlich könne es doch nicht falsch sein, wenn Alice ihn in ihr Herz schließen sollte – einem so tollen Hecht kann einfach keine widerstehen.
Diejenigen, die nun darüber nachdenken ihm ihren Sympathieklick zu schenken, sollte seine männliche Selbstüberschätzung beim Flirt mit Alice dann doch nachdenklich stimmen, denn diese hat ganz andere Pläne. Nicht umsonst inszenierte sie sich beim letzten Bundestreffen des Swingerclubs der Ewiggestrigen (alias AfD-Parteitag) als „Ritter von der traurigen Gestalt” (Don Quixote) – der, treffenderweise, ebenso unfähig war den Unterschied zwischen Dichtung und Wirklichkeit zu erkennen. Auf ihrem Kreuzzug gegen die „Windmühlen der Schande”, mit denen in ihrer Phantasie die rot-grün versifften Horden das Königreich der Harten verschandelten, ist für Friedrich dann höchsten die Rolle des tragischen Knappen vorgesehen. Also, ihr Singles, die ihr nach etwas Verläßlichem sucht, fragt euch lieber einmal mehr, ob das in einem Land passieren sollte, auf das ihr Stolz sein könnt!
Da brauchte es eigentlich nicht einmal mehr der Warnung durch Die Partei, in ihrer unendlichen Weisheit: „Mädels, der Junge will nur eure Kohle!”
Hart traf es auch Christian und seine Jungmannen, die nicht wirklich damit klarkamen, daß ihr Liebeswerben sowohl für Dr. Merz und als auch Mr. Friedrich zu pubertär daherkam, obwohl sie ihre moralische Dehnbarkeit doch so unterwürfig anpriesen. Vielleicht war es aber auch die lebensbejahende Optik von Christians Profilbild, bei der man sich nicht sicher sein kann, ob man von ihm gegriffen und in den Abgrund der Bedeutungslosigkeit hinabgezogen werden wird oder gerade ein Alien aus ihm herausgebrochen ist, um alles Leben zu verschlingen.
Und dann war da auch noch das Bo. Nicht nur das er Christian in seiner pubertär, hormongesteuerten Ablehnung jeglicher kollektiven Verantwortung in keinster Weise nachstehen wollte. Nein, um es wirklich peinlich zu machen, versuchte er sich auch noch mit dem Griff in Großvaters Kleiderschrank modisch der christlichen Altherrenriege anzudienen. Tja, Jungs von der FDP, damit habt ihr auch die letzte Chance verspielt – das reicht nicht mal mehr, um zu einer gruseligen Dating Show im Privatfernsehen eingeladen zu werden.
Dieser desaströse Versuch des Liebeswerbens leitet nahtlos zu einem ähnlich erfolgversprechenden Ansatz über. Scheiterten Christian und seine Kumpel an ihrem unbearbeiteten Vaterkomplex, so stellt sich auch beim nächsten Profil, obwohl es mit einer anderen Einstellung zum Leben zu punkten sucht, die Frage, ob traumatische Beziehungen zu Elternteilen nicht lieber geklärt werden sollten, bevor man um neue Partner wirbt. Lieber Fabio De Masi, sich verschämt in zweiter Reihe hinter der Übermutter Sarah zu verstecken und sich mit Untergangsszenarien zu präsentieren, macht beide nicht wirklich attraktiv – nicht mal bei Hundefreundinnen, wie deren ziemlich expliziter Kommentar erahnen läßt. Wenn man sich das eigene Profil dann auch noch von einer KI generieren läßt, die aus einem sinkenden Schiff eine Öltonne mit Schlagseite macht und es nicht einmal schafft das Profilbild anständig freizustellen, sinken die Erfolgsaussichten gleich mit auf den Grund des Ozeans.
Nachdem wir nun schon auf dem Grund des Ozeans angelangt sind – wo ist eigentlich Olaf, der heimliche Strippenzieher der gescheiterten Dreiecksbeziehung, abgeblieben? Zumindest in Hamburg, seiner alten Heimat, schien er völlig abgetaucht zu sein. Als es schon fast zu spät war, konnte er aber doch noch gesichtet werden. Obwohl die Hamburger Verwandtschaft sich ihre Erfolgsaussichten nicht von jemanden verderben lassen wollte, der sich zwar für den Traumprinzen hielt, dessen mangelnde Sympathieklicks aber eher das Gegenteil suggerierten, hatte sie kurz vor Toresschluß offenbar doch noch Mitleid. Während der große Bruder es noch dezent, mit dem eingespiegelten Versprechen auf das Penthouse mit Hafenblick versuchte, hatte Olaf, seit dem Umzug nach Berlin, offenbar jeden Anflug gepflegten, hanseatischen Understatements abgelegt. Wer könnte bei der verlockenden Aussage, „MEHR FÜR DICH”, nicht schwach werden. Aber seid auf der Hut, liebe Singles, die ihr nach ungeteilter Zuwendung sucht, lest lieber bis zum Schluß weiter. Es könnte euch auffallen, daß er nicht nur euch persönlich, sondern gleich dem ganzen Land, alles verspricht – und eine polyamourösen Beziehung hat er beim letzen Mal auch schon nicht hingekriegt.
Beschließen wir unsere Betrachtung der wunderlichen Welt der Partnersuche am Straßenrand nun mit einem Moment des stillen Gedenkens an einen Berufsstand, dessen Existenz durch die überwältigende Dominanz von Realsatire im öffentlichen Raum akut gefährdet ist und dessen letzten Versuch der Gegenwehr man nur noch als eine Verzweiflungstat interpretieren kann. Ruhet in Frieden!
Copyright R-M Diedrich